News, Kunst und Unterhaltung

4. Oktober 2019

Die Leut machen sich ein Bild

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung besucht London

Eine Delegation des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung wird vom 8. bis zum 10. Oktober 2019 nach London reisen.

Im Zentrum der Reise ins „Mutterland des Parlamentarismus“ sollen Fragestellungen zum parlamentarischen Regierungssystem, zur Geschäftsordnung und zum Wahlrecht stehen. Schwerpunkt wird das institutionelle Verhältnis von Parlament und Regierung sein, insbesondere auch die Rolle des Parlaments während des Brexit.

Hierzu sind unter anderem Gespräche mit dem Deputy Speaker des House of Commons, Sir Lindsay Hoyle, sowie Vertretern der thematisch befassten Ausschüsse des House of Commons sowie des House of Lords geplant.

Daneben wird auch ein Treffen mit dem Vorsitzenden der Electoral Commission stattfinden.

Der Austausch mit Vertretern politischer Stiftungen sowie mit deutschsprachigen Wissenschaftlern, die sich an britischen Universitäten mit den Auswirkungen des Brexit auch im institutionellen Bereich beschäftigten, wird den Besuch abrunden.

Leiter der Delegation ist der Vorsitzende des Ausschusses, Patrick Sensburg (CDU/CSU). Die weiteren Delegationsmitglieder sind die Abgeordneten Ansgar Heveling (CDU/CSU), Matthias Bartke (SPD), Andreas Bleck (AfD), Friedrich Straetmanns (DIE LINKE.) und Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN).
/DB

3. Oktober 2019

Zweifel am Argument

Richter macht VW-Kunden wenig Mut: In Braunschweig hat die Verhandlung gegen Volkswagen im Rahmen des Dieselskandals begonnen. Im Rahmen der Musterfeststellungsklage, welche die Bundesregierung nach Bekanntwerden des systematischen Betruges um manipulierte Diesel auf den Weg brachte, klagen der ADAC und die Verbraucherzentrale stellvertretend für 470 000 VW-Kunden. Aufgrund des großen Andranges an Anwälten, Medienvertretern und Besuchern wurde der Prozess in die Stadthalle verlegt. Eine der zentralen Fragen der Verhandlung wird sein, ob die Führungsebene von VW etwas von den Betrügereien wusste. In einer ersten Einschätzung macht der Vorsitzende Richter Michael Neef den Klägern jedoch keine großen Hoffnungen. Das Gericht sieht nämlich nicht VW als Vertragspartner, sondern die jeweiligen Autohändler, bei denen die Autos gekauft wurden. Von daher sei es schwierig,  Ansprüche gegenüber dem Konzern geltend zu machen. Andere Oberlandesgerichte haben zwar schon in Einzelfällen gegen VW entschieden, Neef erklärte jedoch, sein Gericht habe Zweifel der Argumentation zu folgen. /sz

Thema:Energiewende

Die Förderung erneuerbarer Energien könnte wieder als Beihilfe eingestuft werden, falls der Bund die Senkung der EEG-Umlage aus CO2-Steuereinnahmen finanziert. Das geht aus einer Analyse von BBH und der Deutschen Energieagentur hervor, wie Steven Hanke berichtet. Weiterlesen

Die Beteiligungen des Bundes an Atomkraftwerken im Ausland wurden lange kritisiert. Auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD war ein Ende der Anlagepraxis vereinbart worden. Nun hat der Bund seine Anteile verkauft, berichtet Matthias Jauch. Weiterlesen 

Grüne Stromquellen ins Netz zu integrieren, wird nicht nur in Deutschland zur Sicherheitsfrage für die Energiewende. Auch Japan, Thailand, Marokko, Schweden und Polen sehen darin eine wesentliche Herausforderung für eine stabile Versorgung, wie sich auf einer Energieministerkonferenz in Berlin zeigte, die Christian Schaudwet besucht hat. Weiterlesen

Die Netzentgelte steigen 2020 nur moderat an. Um wie viel genau, weiß Jakob Schlandt. Weiterlesen

Im Förderprogramm berichtet Peter Crain heute über einen europäische Strategieplan für klimafreundliche Technologien. Weiterlesen 

Termin Cybersicherheit

Europaweit: Start des europäischen Monats für Cybersicherheit
Seit 2012 ist der Oktober jedes Jahr der Europäische Monat für Cybersicherheit. Diese jährliche Kampagne zielt darauf ab, das Bewusstsein für Cybersicherheits-Bedrohungen zu schärfen und die Cybersicherheit unter Bürgern und Organisationen durch Aufklärung und Austausch zu fördern. Das diesjährige Kampagnenmotto lautet:

"Cybersicherheit ist eine gemeinsame Verantwortung!"

Die Kampagne konzentriert sich auf zwei Themenschwerpunkte: Cyber-Hygiene (Tägliche Routinen, Überprüfungen und allgemeines Verhalten, um online sicher zu sein) und neue Technologien (Bleiben Sie mit den neuesten Technologien auf dem neuesten Stand der Sicherheitstechnik). Weitere Infos hierzu finden Sie dort.

2. Oktober 2019

Europas Dreifaltigkeit geht an den Start

Drei Frauen prägen bald die EU-Kommission. Was bedeutet das für die Wirtschaftspolitik – und das Verhältnis zwischen Berlin und Paris? 
Am 1. November soll die neue EU-Kommission unter deutscher Präsidentschaft antreten. Die Erwartungen an Ursula von der Leyen sind groß. Und ebenso an diejenigen, die mit der designierten Präsidentin Europas eine nächste Regierung bilden sollen. Allen voran zwei Frauen: die Dänin Margrethe Vestager als Vizepräsidentin und Kommissarin für Digitalisierung und Wettbewerb und die Französin Sylvie Goulard als Kommissarin für den Binnenmarkt, Industrie- und Verteidigungspolitik. Von der Leyen hat die beiden bestimmt. Zu dritt wollen sie nun Europas Wirtschaftspolitik umstellen.
Die ganze Geschichte über Europas neue Chefinnen lesen Sie in
Zeit 41/2019

1. Oktober 2019

Gute Reise:Delegation nach Übersee

Zuckerhersteller schickt Produktionsexperten nach Australien

Nach der Mehrheitsübernahme bei Mackay Sugar und dem Einstieg in die Rohrzuckerproduktion entsendet Nordzucker eine Delegation von Produktions- und Agrarexperten nach Australien. Dadurch kommt es im deutschen Werk Clauen zu einem Wechsel in der Führungsetage.

Joachim Rüger, erst seit Juni Leiter des Nordzucker-Werks Clauen, wechselt nach Australien zum Rohrzuckerhersteller Mackay Sugar
/LM

Im diplomatischen Dienst unterwegs

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz führt Gespräche in Brasilien

Eine Delegation des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz reist vom 4. bis 11. Oktober 2019 zu Gesprächen über rechts- und verbraucherschutzpolitische Themen nach Brasilien. Geplant sind Treffen mit Parlamentariern sowie Vertretern von Regierung, Justiz, Wirtschaft und der brasilianischen Gesellschaft.

Bei Begegnungen mit Richtern des Obersten Gerichtshofes, dem Justizminister, Vertretern der staatlichen Einrichtungen zum Schutz der Bürgerrechte und der Rechte der indigenen Bevölkerung soll es vor allem um rechtsstaatliche Themen gehen.

In den beiden größten Städten Brasiliens, Rio de Janeiro und Sao Paulo, wird sich die Delegation über die rechtliche Bewältigung aktueller Probleme wie Korruption, Drogen- und Bandenkriminalität informieren und über deutsch-brasilianischen Kooperation sprechen. Besuche in einer Favela und einem Gefängnis sind geplant.

Die Delegation wird von dem Vorsitzenden des Ausschusses, Stephan Brandner (AfD), geleitet. Die weiteren Delegationsmitglieder sind Elisabeth Winkelmeier-Becker, Jan-Marco Luczak und Alexander Hoffmann (alle CDU/CSU), Sonja Steffen (SPD), Roman Müller-Böhm (FDP) und Gökay Akbulut (DIE LINKE.)./Deutscher Bundestag

Essen nach Farben

Ernährungsministerin Julia Klöckner plädiert nach Widerstand nun doch für die Nährwert-Kennzeichnung (NutriScore). Sie soll für Hersteller aber freiwillig sein. Dabei ergeben die Anteile von Zucker, Salz, Eiweiß und Fett einen Ampelwert zwischen Dunkelgrün und Rot./tag

Fit für Turnschuh

Fit wie ein Turnschuh: Im Schaufenster eines Sportgeschäfts in Neuseeland liefen statt Fitness-Videos über Nacht Pornos. Der Ladenbetreiber sagt, ein Unbekannter hätte sich Zugriff auf den Bildschirm verschafft. Damit könnte auch Sport1 sein Nachtprogramm entschuldigen.
/faz

Saubere Luft, schmutziges Meer

Hapag-Lloyd Cruises will seine Kreuzfahrtschiffe ab dem nächsten Sommer nicht mehr mit Schweröl betanken. Die Tui-Tochter erspart sich damit viel Kritik an den neuen Reinigungssystemen für Schiffsabgase: Diese säubern zwar die Luft, verschmutzen aber das Meer, so Kritiker./tg

Wem gehören Autodaten?

Wem gehören die Daten aus dem Auto? Autos sammeln schon jetzt viele Daten. Darauf wollen nicht nur die Hersteller, sondern auch freie Werkstätten zugreifen können. Sie hoffen, dass die EU-Wettbewerbskommissarin demnächst für Chancengleichheit bei digitalen Geschäftsmodellen rund um die Wartung und Reparatur von Autos sorgt./tagesspiegel

SuperYounge Hippster sorgen für Risiko

Einer Untersuchung der Schweizer Bank UBS zufolge gilt der Münchner Wohnungsmarkt als weltweit am stärksten überbewertet. München landete an der Spitze der Städte mit stärkster Gefahr von Immobilienblase und überholte damit im Vergleich zum Vorjahr sogar Hongkong. Als Gründe führte die Studie die starke lokale Wirtschaft samt wachsender Bevölkerung an. Dadurch sei die Nachfrage nach Wohnraum gestiegen, der hierfür nur unzureichend zugenommen habe. So hätten sich die realen Preise in München in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt, die Mieten seien um mehr als 40 Prozent gestiegen. Frankfurt ist neu in die Risikozone der Städte aufgerückt. In nur einem Jahr seien die realen Preise dort um elf Prozent gestiegen./sp/blatt

30. September 2019

Die sind dann mal wech

WERBEHINWEIS: Reihenweise verschwinden Firmen von der Börse, wegen billigen Notenbankgeldes oft von intransparenten Finanzinvestoren aufgekauft - zum Nachteil der Anleger und der Volkswirtschaft: Die Entmachtung der Börse - die neue Wiwo, als eMagazin und am Kiosk 

FakeNews:politische Manipulationskampagnen nehmen zu

In immer mehr Ländern lassen sich organisierte Manipulationskampagnen in den sozialen Medien nachweisen, wie eine aktuelle Studie jetzt zeigt

Die Zahl der organisierten Desinformationskampagnen in den sozialen Medien hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Universität Oxford, über die unter anderem die New York Times berichtet hat.

Demnach missbrauchen immer mehr Regierungen und politische Parteien Social Media, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dabei werden Techniken wie Bots, Fake-Accounts oder bezahlte „Trolle“ eingesetzt. Die Zahl der Länder, in denen solche Kampagnen beobachtet werden, habe sich in den vergangenen zwei Jahren mehr als verdoppelt und liege nun bei 70 – noch 2017 waren es lediglich 28 Länder gewesen.

Der meistgenutzte Kanal für politische Manipulationen bleibe laut der Studie Facebook – obwohl es heute mehr Social-Media-Plattformen als je zuvor gebe. Der Kanal werde in 56 Ländern für Propagandakampagnen genutzt. Weder der Staat noch die Plattform selbst tue genug, um diese Art der Desinformation zu unterbinden, so Samantha Bradshaw, eine der Autorinnen der Studie. Erst am Dienstag hatte Facebook-Kommunikationschef Nick Clegg bekanntgegeben, dass Politikeräußerungen künftig von den Community-Regeln der Plattform ausgenommen seien.

Anzeige:


Die Autoren der Studie halten die zunehmende Manipulation für gefährlich. Zwar sei Propaganda seit jeher Teil des politischen Diskurses. Computerbasierte Manipulation auf den sozialen Medien sei mittlerweile jedoch im Mainstream angelangt und beschränke sich nicht länger auf wenige schwarze Schafe. Die Zunahme solcher Maßnahmen stelle eine „kritische Bedrohung“ für die Demokratie dar. /pr

Filmreife Affäre

"Bully" soll Relotius-Affäre verfilmen
Nach SZ-Informationen soll der Komiker und Filmemacher Michael "Bully" Herbig die Relotius-Affäre verfilmen.Der Film soll auf dem Buch des Journalisten Juan Moreno basieren, der den Betrug des ehemaligen Spiegel-Redakteurs Claas Relotius 2018 aufgedeckt hatte.
Das Buch des freien Reporters Juan Moreno, in dem er aufgeschrieben hat, wie er dem lügenden Reporter Claas Relotius auf die Schliche kam, ist hoch eingestiegen in den Charts. Platz zwei gleich in der ersten Woche für Tausend Zeilen Lüge. Die entsprechende Bestsellerliste wird vom Spiegel gepflegt, Relotius schrieb für den Spiegel, Moreno arbeitet für den Spiegel. Man ahnt, wie groß das Potenzial an Demütigungen ist, die das Hamburger Magazin durch die Relotius-Affäre fürchten muss.
Die Rechte an Morenos Buch hatte sich die Ufa gesichert
Oft wird dieser in seiner Dimension einmalige Fall von Geschichtenfälschung mit dem Fall von Geschichtsfälschung beim Stern verglichen, mit den Hitler-Tagebüchern von 1983. Diese Affäre war damals zwar auch so aufregend, dass sie es in alle Nachrichtensendungen schaffte - fester Bestandteil des deutschen Langzeitgedächtnisses wurde sie aber erst durch den Kinofilm Schtonk!. Neun Jahre nach dem Skandal um die ersponnenen Memoiren aus dem Führerbunker nahm sich Helmut Dietl der Sache an. Sein satirischer Blick auf den Betrug und die Gesellschaft, in der er möglich war, ist großes Bildungs- und Unterhaltungskino. /sz

29. September 2019

Wird man als Lügner geboren, Herr Lentz?

»Jeder hinterlässt Spuren«

Marcus Lentz betreibt seit 1995 eine Detektei in Frankfurt. Bei seinem eindrücklichsten Fall geht es um einen Sohn, der den Kontakt zu seinen Eltern abbrach, 15 Jahre lang verschwunden war – und dann dort entdeckt wurde, wo ihn ganz bestimmt niemand erwartet hätte.

Jeder Mensch sei ein guter Lügner, sagt Marcus Lentz. 40 Detektive arbeiten für seine Detektei, nicht nur in Deutschland, sondern etwa auch in Hongkong, New York und London.

SZ-Magazin: Herr Lentz, wie wird man Detektiv?
Marcus Lentz (51): Man macht eine Ausbildung zweieinhalb Jahre lang, mit Prüfung vor der IHK.

Und was lernt man da?
Vor allem viel Rechtliches. Ein Detektiv darf sich zum Beispiel nicht als Polizist ausgeben. Und auch nicht als Pfarrer oder Arzt, Gerichtsvollzieher oder sonst ein Mensch, dem die Leute etwas anvertrauen, weil er ein berufsmäßiger Geheimnisträger ist, also eine gesetzliche Schweigepflicht hat. Ansonsten lernt man, wie man professionell observiert, wie man rechtskonform ermittelt und wie man eine Legende aufbaut.

Das heißt, Sie sind ein guter Lügner?
Jeder Mensch ist das. Wir alle lügen bis zu 100 Mal am Tag. Wenn einer behauptet, er hätte noch nie gelogen, ist das schon die erste Lüge.

Welche Legenden erschaffen Sie?
Das ist eigentlich unser Geheimnis. Aber ich kann ein paar Beispiele nennen: Ein Mensch, der vorgibt, eine leerstehende Wohnung anmieten zu wollen. Ein privater Paketzusteller. Jemand mit einer Autopanne. Eine gute Legende aufzubauen, ist gar nicht so einfach. Sie muss zu dem passen, der sie benutzen will und zu der Situation, in der sie benutzt wird. Wenn es darum geht, in einem Jugendclub zu ermitteln, schicke ich dort natürlich eher die 20-Jährige Kollegin als meinen 50-jährigen Mitarbeiter hin. Bei einer guten Legende muss man auf alle Details achten. Wenn zum Beispiel jemand vorgibt, dass gerade sein Hund im Wald entlaufen ist und er kurz telefonieren muss und hochhackige Stöckelschuhe trägt, wird das Gegenüber das vielleicht zuerst gar nicht bemerken, aber unterbewusst wird ihm irgendetwas komisch vorkommen. Er wird also bei seiner Antwort zurückhaltender sein. Gleiches gilt, wenn wir uns als Wohnungssuchende in Berlin-Neukölln ausgeben, aber eine Rolex am Arm tragen. Das passt nicht.

Was sind Ihre häufigsten Fälle?
Zu 70 Prozent beauftragen uns Firmen. Der Chef, der herausfinden will, ob sein Mitarbeiter tatsächlich krank ist oder nur so tut. Oder das Unternehmen, das dahinterkommen will, wer das Büromaterial klaut. Der Rest sind meistens die Klassiker: Untreue oder Unterhaltsbetrug.

Welcher Fall hat Ihnen am meisten bedeutet?
Das war eine Familienzusammenführung Anfang der Nullerjahre: Eltern wollten ihren Sohn wiederfinden, zu dem sie seit 15 Jahren keinen Kontakt mehr hatten. Mit 22 hatte er um die 300 000 Euro Schulden angesammelt – weil er Handyrechnungen nicht bezahlte, weil er sein Auto zu Schrott gefahren hatte, weil er hin und wieder kokste und sich gern mal einen Joint drehte. Dann verlor er auch noch seinen Job, bekam Angst und tauchte ab.

Und bei seinen Eltern hat er sich nie wieder gemeldet?
Zweimal relativ kurz nach dem Verschwinden schrieb er ihnen eine Mail von irgendeiner Wegwerf-Adresse, dass sie sich keine Sorgen machen sollen und dass es ihm gut geht. Seine Eltern antworteten natürlich, aber darauf reagierte er nicht. Das Verrückte ist, dass ein großer Teil der Schulden nach all den Jahren verjährt war, weil viele Gläubiger nie einen Mahnbescheid verschickt hatten. Und den Rest hatten die Eltern bezahlt, weil sie hofften, dass ihr Sohn dann zurückkommen würde. Doch aus lauter Scham traute er sich nicht.

Wie haben Sie den Sohn wiedergefunden?
Jeder hinterlässt Spuren. Bei ihm waren sie nach all den Jahren aber relativ kalt. Nachdem wir vielen Menschen Bilder gezeigt hatten, erinnerte sich irgendwer, dass er mit einer US-Soldatin zusammen war. Wir fanden heraus, dass er mit ihr gemeinsam mit einem Touristenvisum in die Staaten reiste. Dann fragten wir uns durch drei oder vier Bundesstaaten und waren vielleicht ein Vierteljahr unterwegs, bis wir ihn im Mittleren Westen der USA entdeckten. Er war verheiratet, hatte ein Kind, betrieb ein Diner an einer Autobahn. Er war nicht übermäßig reich, aber er führte ein gutbürgerliches, braves Leben.

Wie reagierte er, als Sie ihm sagten, dass Sie ein Detektiv sind und von seinen Eltern beauftragt wurden?
Schockiert und überrascht. Am Anfang auch etwas ablehnend, weil er sich so schämte. Außerdem hatte seine Frau keine Ahnung, was er in Deutschland für ein Leben geführt hatte. Ich glaube, da wäre jeder überfordert. Wir haben ihn erst einmal eine halbe Stunde in Ruhe gelassen und ihm dann ein Telefon geben, damit er mit seinen Eltern sprechen kann. Wir haben uns dann zurückgezogen.

Was wurde aus der Familie?
Wir haben ein Dankesschreiben bekommen, sie haben sich wohl auch alle getroffen und wiedergesehen. Aber für uns war die Angelegenheit dann erledigt. Wir sind keine Therapeuten. Was die Leute aus so einer Situation machen, ist ihre Sache.

Warum ist Ihnen der Fall so gut in Erinnerung?
Weil es einer der wenigen Personensuchen war, die gut ausging. Die Wahrscheinlichkeit, dass man jemanden wiederfindet, liegt bei 50 Prozent. Oft sind die Menschen tot, komplett abgetaucht oder reagieren völlig ablehnend. Dann dürfen wir auch keine Daten herausgeben. Was die Leute oft falsch verstehen: Wir werden nicht für das Ergebnis, sondern für unsere Bemühungen bezahlt.

Wie oft suchen Sie nach verschwundenen Menschen?
Vielleicht ein oder zwei Mal im Jahr. Das ist auch eine Kostenfrage – so eine Suche ist aufwendig, also teuer. Selbst wenn alles sofort funktioniert, kostet sie wenigstens 10 000 Euro. Bei dem Fall waren es etwa 65 000 Euro. Für die Familie war das viel Geld, sie waren selbstständige Handwerker kurz vor der Rente. Aber wir haben eben unsere Tricks und Kniffe, die wir uns bezahlen lassen – etwa unsere Kontakte bei der US-Army./sz

Nächste Woche im Heft
Sascha Lobo, Blogger und Buchautor, hat sich mit dieser bizarren und zugleich faszinierenden neuen Welt so tiefgründig beschäftigt wie kaum jemand sonst. Deshalb haben wir anlässlich des Erscheinens seines neuen Buchs „Realitätsschock“ mit ihm über die unterschiedlichen Facetten der neuen Normalität gesprochen.

Verkleidungskünstler: Eine Mode-Designerin entwirft Kleidung, die Gesichtserkennungssoftware verwirren und dadurch die Privatsphäre schützen soll.

EinBlicke ins Erdreich

Der Künstler erhebt sich nicht über die Welt, er legt sich mitten hinein, mitten in eine Wiese mit Löwenzahn, Schafgarbe, Ehrenpreis, mit Grashalmen, die in der Nase kitzeln. Lange vor Franz Kafka hat der Renaissancemaler Albrecht Dürer (1471-1528) die Käferperspektive zu seiner eigenen gemacht. Er taucht ein in die Sphäre des Übersehenen, und fast könnte man meinen, er habe für sein berühmtes Rasenstück den Halmen beim Wachsen zuschauen wollen.

Dürers Blick geht so tief, dass er unter die Erde dringt und auch hier, gewissermaßen im Schmutz der Existenz, nach dem Ausschau hält, was bildwürdig sein könnte.

Christof Metzger, der die Ausstellung im Wiener Albertina kuratiert hat, denkt nicht, dass es sich hier nur um Studien oder Vorzeichnungen für spätere Bildvorhaben gehandelt habe. Viel zu aufwendig sei die Ausführung, viel zu üppig der Detailreichtum.

Dürers Flugblätter können noch bis 6. Januar 2020 observiert werden.

28. September 2019

TV-Tipp:Suche weiblichen Nachwuchs

Am Montag startet auf YouTube "Die Rekrutinnen". Die Truppe wirbt mit einer neuen Webserie um weiblichen Nachwuchs. Anstelle Frauen an die Macht heisst es jetzt, Frauen an die Waffeln. Es wird geknetet, gebaken und geschruppt. Für die Show kann sich jede Frau ab 18 Jahren carsten lassen.
Insgesamt gibt es 63 Episoden der neuen Staffel, die je montags bis donnerstags um 17 Uhr online gehen. Das Gesamtbudget für Kampagne beträgt 7 Millionen Euro brutto. /hinternhorizontgehtsweiter

Thema: Berliner Republick

Oldtimer bleiben auch künftig von Fahrverboten wegen Stickoxid-Grenzwertüberschreitungen verschont. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung (19/12897) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/12403) hervor.

Komische "Kleine Anfrage"
Wie sich die Zahl der Schwarzfahrer bei der Deutschen Bahn AG in den letzten fünf Jahren entwickelt hat, möchte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wissen. In einer Kleinen Anfrage (19/13278) erkundigen sich die Abgeordneten zudem bei der Bundesregierung, in wie vielen Fällen die DB AG Inkassounternehmen beauftragt hat, "um das erhöhte Beförderungsentgelt einzufordern".

Die Verschärfung des NetzDG ist "längst überfällig", schreiben Renate Künast und Konstantin von Notz in einem "Handelsblatt"-Gastbeitrag. Die Grünen-Politiker fordern ein einheitliches Verfahren zur Löschung von beleidigenden Inhalten im Netz.

Sehenswert: Ein Jahr danach bleiben offene Fragen (ZDF)

Zeitchef erklärt politische Sozialisation

"Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo lobt die Diversität seiner Redaktion in Geschlecht und Herkunft, beklagt aber "eine gewisse Homogenität der politischen Sozialisation" gerade "unter jungen Kolleginnen und Kollegen"./standard