Mit dem Flugzeug in den Urlaub - das ist
mittlerweile Normalität. Doch das Fliegen hat den Ruf als Klimasünde. Zu
Recht, sagt Nachhaltigkeits- und Klimaexperte Felix Ekardt. Für ihn
sind die ständigen Fernreisen sowieso nur eine oberflächliche Art, die
Welt zu erkunden. Wir sollten das lieber auf andere Weise tun, rät er.
n-tv.de:
Herr Ekardt, Sie sind ein Gegner von Flugreisen - aus Gründen des
Klimaschutzes. Dabei beträgt der Anteil des Luftverkehrs am weltweiten
Treibhausgas-Ausstoß geraden mal zwei Prozent. Warum ist dann gerade das
Fliegen so schlimm?
Felix Ekardt: Zu den Emissionen gibt
es zum einen unterschiedliche Berechnungen. Zum anderen nimmt das
Fliegen stark zu. Das Pariser Klimaabkommen verpflichtet uns, die
globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dafür brauchen wir weltweit
null Emissionen in rund zwei Jahrzehnten. Im Bereich des Fliegens gibt
es momentan jedoch keine Alternative zu fossilen Brennstoffen. Wir
müssen uns daher vom Fliegen verabschieden.
Felix
Ekardt ist Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik
in Leipzig und Berlin sowie Professor an der Uni Rostock. Foto: privat
Wenn man nicht mehr fliegen soll, was machen wir mit den Freunden in
Malaysia? Sind Reisen dorthin dann für uns gestorben? Oder wenn die
Tochter ein halbjähriges Praktikum in Übersee macht, soll man sie nicht
besuchen, um das Klima zu schonen?
Die Tochter mal ein
halbes Jahr nicht zu sehen, mag traurig sein, aber man wird es
überleben. Früher hat man Kinder verabschiedet und das ganze Leben nicht
mehr gesehen. Wichtig ist aber auch der Blick auf die Folgen: Würde man
im Ernst einem Menschen auf einer Pazifikinsel, die aufgrund der
globalen Erwärmung gerade untergeht, oder Menschen in Afrika, die bald
keine Nahrungsmittelversorgung mehr haben, sagen wollen, tut mir leid,
aber ich musste meine Freunde in Malaysia besuchen?
Sich um die Probleme von Menschen auf einer Pazifikinsel zu sorgen,
setzt doch gerade ein globales Denken und Wissen von anderen Ländern und
Kulturen voraus. Und gerade Flugreisen ermöglichen es uns doch, diese
kennenzulernen …
Ich habe 1994 drei Monate in Israel
gearbeitet und würde nicht sagen, dass ich Israel deswegen kenne. Erst
recht lernt man ein Land nicht in zwei Wochen als Urlauber kennen. Wir
machen uns da häufig etwas vor. Statistisch haben die, die die Welt am
besten kennen, heute ökologisch oft den größten Fußabdruck. Und wir
wissen aus der Verhaltensforschung: Wissen und Bewusstsein beeinflussen
unser Verhalten relativ wenig.
Das globale Zusammenwachsen
aller Menschen ist also Ihrer Meinung nach nicht unmittelbar damit
verknüpft, dass man sich begegnet? Ist das nicht sehr wichtig?
Natürlich.
Aber das geschieht häufig auf einer sehr oberflächlichen Ebene. Bei den
typischen internationalen Reisen begegnet man Mitgliedern der gleichen
globalen Konsumentenklasse, zu der man selbst gehört.
Sollte man dann nicht eher seinen Fokus vor Ort anders wählen als die Art der Anreise?
Man
kann ja ruhig zweimal im Leben eine Weltreise machen. Das geht aber
auch auf dem Boden. Dann lernt man wirklich mal das Land kennen und
reist nicht zu diesen attraktiven Urlaubsgebieten mit Palmenstränden,
sondern fährt halt mal mit der transsibirischen Eisenbahn und lernt die
GUS-Staaten kennen. Es ist doch paradox: Die typischen europäischen
Urlauber kennen zum Beispiel Osteuropa kaum. Dabei gibt es dort
wunderbare Städte. Oder noch verschärfter: Die meisten Menschen kennen
ihren Nachbarn nicht mal richtig. Man kann zwei Straßen weitergehen und
trifft Menschen in völlig anderen Lebensverhältnissen. Das interessiert
einen überhaupt nicht.
Wenn Osteuropa so interessant ist - was glauben Sie, ist der Grund für
die Beliebtheit von Fernreisen? Warum fliegen wir lieber nach Bali, als mit dem Zug nach Budapest zu fahren?
Menschen
folgen Normalitätsvorstellungen. Sie machen das, was die anderen auch
machen. Und wenn die ganzen Facebook-Freunde Fotos von Fernreisen
posten, dann denkt man, das Ganze wäre erstrebenswert. Wir blenden auch
massiv die Unannehmlichkeiten von Fernreisen aus, weil wir uns
Illusionen hingeben. Wir blenden aus, dass das Wetter unangenehm heiß
ist, die staubigen Hochhäuserschluchten von Bangkok anstrengen sind, das
Hotel langweilig ist, dass wir uns vielleicht in Gefahr begeben oder
dass wir unverträgliche Sachen essen.
Verschiedene
Organisationen bieten den Kauf von sogenannten CO2-Kompensationen an -
für den Ausstoß von CO2 zahlt man eine Summe, mit der Projekte zur
Vermeidung von CO2 vor allem in Entwicklungsländern finanziert werden.
Damit wäre eine Flugreise ohne schlechtes Gewissen doch möglich?
Das
Kaufen von Kompensationen ist eher keine Lösung. Wir müssen aufgrund
des Pariser Klimaabkommens zu Nullemissionen kommen. Aber auch mit null
fossilen Brennstoffen bei Strom, Wärme, Mobilität, Kunststoffen und
Dünger werden ja noch Treibhausgasemissionen entstehen - wir wollen ja
nicht verhungern und selbst wenn wir alle Veganer werden, entstehen
diese - und bereits die müssen wir später noch kompensieren. Etwa durch
Aufforstungen oder der Wiedervernässungen von Mooren, die viele
Klimagase binden können. Raum, um Luxus-Emissionen wie das Fliegen zu
kompensieren, haben wir schlicht nicht.
Der neue
Airbus-Chef Guillaume Faury hat kürzlich das Ziel ausgegeben, in Zukunft
emissionsfreie Flugzeuge bauen zu wollen. Biotreibstoffe, Wasserstoff
oder synthetische Treibstoffe sollen es richten. Was glauben Sie, können
wir in ein paar Jahren wieder guten Gewissens fliegen?
Biotreibstoffe
sind eher nicht die Lösung - die haben teilweise einen größeren
ökologischen Fußabdruck als die fossilen Brennstoffe. Wenn, dann muss
man Wind- oder Solarstrom in eine flüssige oder gasförmige Form bringen,
um damit zu fliegen. Das ist heute bereits technisch möglich, aber sehr
teuer. In absehbarer Zeit wird es günstiger werden, aber wahrscheinlich
nicht so günstig, dass so gedankenlos wie heute geflogen werden kann.
Billiger für uns als Gesellschaft ist es wegen der vermiedenen
Klimawandelschäden aber sehr wohl.