Im Gespräch mit Harmony, der ersten Sexroboterin mit künstlicher Intelligenz - glauben Sie nicht? Dann lesen Sie weiter - ganz in Ruhe
Zig "Freunde" bei Facebook, aber niemanden zum Kuscheln oder Kopulieren: Die Tech-Branche bietet gegen Vereinsamung allerlei digitale Erfindungen. Aber hat sie das Problem nicht selbst erschaffen?
Es ist erstaunlich, was das Gehirn mit einem Menschen anstellt, der sich auf ein Virtual-Reality-Erlebnis einlässt. Die Installation Carne y Arena von Alejandro Iñárritu über Flüchtlinge an der mexikanisch-amerikanischen Grenze zum Beispiel kommt derart realistisch daher, dass der Besucher verschreckt und verstört am Boden kauert und um sein Leben fürchtet. Das kürzlich vorgestellte Videospiel Sniper Elite VR über einen Scharfschützen im Zweiten Weltkrieg verursacht Herzrasen, Schweißausbrüche und Magengrummeln. Und dann gibt es die Experimente der Pornoindustrie, seit jeher Katalysator technologischer Entwicklungen.
Es ist nur ein Film, ein Schauspiel, produziert von der Firma Naughty America: Drei Frauen knien vor dem Betrachter, zwei Studentinnen in Schuluniform und die Professorin, die sich ihrer Kleidung bereits entledigt hat. Sie haben barbiepuppenhafte Körper, sind platinblond und - darf man das heute noch sagen? - geradezu grotesk attraktiv. Sie sind wild auf Geschlechtsverkehr, das ist die Botschaft, und das Gehirn will dem Betrachter einreden, dass es sich nicht um eine ziemlich plumpe Fantasie handelt, sondern um verführerische Realität.
Es klingt schmuddelig, ist aber postmoderner Eskapismus: raus aus der Wirklichkeit und ohne eigenes Zutun wie Flirten oder gar Verlieben (und damit die Gefahr, sich auf einen anderen Menschen einlassen zu müssen) eine niedere Ebene der Bedürfnispyramide befriedigen. Es ist doch so: Die Leute haben Tausende Freunde bei Facebook, Instagram oder Snapchat - aber niemanden zum Knutschen, Kuscheln und Kopulieren. Sie sind: gemeinsam einsam, und die Technikbranche sieht ein lukratives Geschäft.
Der Mensch wird zum Einzelgänger, einer Studie der Universität von Chicago zufolge hat sich die Zahl der Amerikaner im Alter von 18 bis 29 Jahren, die in den zwölf Monaten vor der jeweiligen Befragung keinen Sex hatten, in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht, auf 25 Prozent. Dafür ist die Zahl derer, die mindestens ein Mal pro Woche masturbieren, kräftig angestiegen, auf 54 Prozent bei den Männern und 26 Prozent bei den Frauen. In der New York Times war bereits von der "Epidemie der Einsamkeit" die Rede, das Magazin Atlantic veröffentlichte eine monothematische Ausgabe mit dem Titel "Die Sex-Rezession".
Die Technikbranche gibt selten einen Fehler zu, aber vielleicht ist alles ohnehin eher Kalkül
In Großbritannien ist Tracey Couch seit einem Jahr "Minister of Loneliness", Einsamkeitsministerin. In Japan verkündet eine Untersuchung des Think Tanks NLI Research Institute fürs nächste Jahr überwiegend Single-Haushalte. Und zugleich gibt es ein eigenes Wort dafür, dass Leute alleine sterben und ihr Tod wochenlang unbemerkt bleibt: Kdokushi. In Deutschland gaben bei einer Studie der Uni Bochum 14,8 Prozent der Befragten von 26 bis 35 Jahren an, sich häufig einsam zu fühlen.
Moment mal: Ist das nicht die vernetzte Generation? Der gerne mal vorgeworfen wird, dass sie mit stets gezücktem Smartphone durchs Leben läuft? Die Leute, die aufgrund permanenter Vernetzung kaum noch eine Sekunde allein sind in ihrem Leben, fühlen sich offenbar sehr häufig einsam. Facebook, Snapchat, Instagram und all die anderen Netzwerke suggerieren zwar, dass man andauernd in Kontakt mit anderen stünde - sie selbst aber tragen durchaus zur Vereinsamung bei.
Die Technikbranche gibt nur sehr selten einen Fehler zu, aber vielleicht müssen wir ohnehin eher über Kalkül reden. Mit der technikgemachten Einsamkeit lässt sich Geschäft machen, und das nicht zu knapp. Es gibt keine verlässlichen Zahlen, wie viel Geld die Technikbranche mit Produkten gegen Einsamkeit umsetzt, in den USA schwanken die Schätzungen zwischen
30 und
150 Milliarden Dollar pro Jahr. Jedenfalls: Es ist ein gigantisches Business.
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Wie im Labor von Doktor Frankenstein:
An den Wänden hängen Köpfe
von Frauenpuppen.
(Foto: Jürgen Schmieder)
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