Erst neulich überraschte das Portal pro-
physik.de die Welt mit einer guten Nachricht und teilte mit: „
Magnonen haben den Dreh raus.“ Natürlich sind moderne Physiker realistisch und weltnah genug, um zu wissen, dass naturwissenschaft-liche Inhalte dem Laien nur auf leicht verständliche Weise nahezubringen sind. Deshalb
ergänzten sie ihre Erklärung um den Zusatz, es handele sich bei besagten Magnonen um eine neue Art von Spinwellen, die sich in einem zylindrischen magnetischen
Isolatorhohlleiter ausbreiten und dabei den Aharonov-Casher-Effekt ausnutzen. So einfach kann das sein.
Das Beispiel lehrt: Wer den Dreh raushat, der ist ganz vorne dabei. Der Dreh ist ein raffinierter Geselle, auch wenn sein Name nicht mehr oft genannt wird. Das mag an seiner leicht anrüchigen Vorgeschichte liegen, die in unserer
Ära unbedingter sprachlicher Korrektheit nicht auf viel Verständnis hoffen darf. Man erinnert sich an die Panzerknackerbande aus Entenhausen, die immer gern ein Ding drehte. Ihr eher tollpatschiges Vorgehen führte sie leider immerfort zurück in den Knast, dessen
Gitter seinerzeit noch als
schwedische Gardinen bezeichnet wurden. Auch das sagt man heute nur noch selten, denn der Begriff könnte die Gefühle schwedischer Mitbürger:innen verletzen oder die Gardinenhersteller diskriminieren. Es macht den Ruf des Drehs nicht besser, dass ein findiger Verkäufer den Törichten Dinge andreht, für die sie keinerlei Verwendung haben. Das führt zu
Julia Klöckner. Im Zuge der neuen Landlust, welche die Bundesagrarministerin zu verbreiten sucht, sowie ihrer Bemühungen, die Bauern vom Niederbrennen ihres Ministeriums abzuhalten, hat sie den Hashtag „#
Dorfkinder haben den Dreh raus“, versehen mit dem Bild zweier spielender blonder Kinder, in die Welt gebracht. Man kann Frau Klöckner mit sehr gutem Willen ein gewisses Bemühen um die Belange der Landbevölkerung nicht absprechen. Man kann den Hashtag aber auch ein wenig peinlich und anbiedernd finden, oder man kann denken: Shithappens, doch es gibt schlimmere Fehlleistungen in der Politik. Das Netz aber tobt. „Das Netz“ sagen die digitalen Hausmeister und Feldwebel immer dann, wenn es ge-nug ihresgleichen gibt, die bereit sind, sich jederzeit ganz furchtbar aufzuregen und Andersdenkenden aus jedem beliebigen Anlass einen Strick zu drehen. Kurz, Ministerin Klöckner wurde zum Ziel eines Shitstorms.
Die Leute schreiben: Ob sie nicht wisse, dass auf dem Land lauter Nazis wohnten, dass die Dorffeuerwehr aus betrunkenen Rassisten bestehe, dass die beiden Kinder nicht divers seien. Welchen Dreh die Verfasser der Sache auch geben: Ein Shitstorm tritt immer dann ein, wenn Leute, welche die Welt nur noch über ihren Bildschirm wahrnehmen, den Shit posten, der so in ihrem Kopf selbst entstanden ist. (SZ)