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22. Januar 2020

#Dorfkindle ham Drehraus

Erst neulich überraschte  das  Portal  pro-physik.de  die  Welt  mit  einer guten  Nachricht  und teilte  mit:  „Magnonen  haben den Dreh  raus.“  Natürlich  sind  moderne  Physiker  realistisch  und  weltnah  genug,  um  zu wissen,  dass naturwissenschaft-liche  Inhalte  dem  Laien  nur  auf  leicht  verständliche  Weise nahezubringen  sind.  Deshalb
ergänzten  sie  ihre  Erklärung  um den  Zusatz,  es  handele  sich  bei besagten  Magnonen  um  eine  neue  Art  von  Spinwellen,  die sich  in  einem  zylindrischen  magnetischen
Isolatorhohlleiter  ausbreiten  und  dabei den  Aharonov-Casher-Effekt  ausnutzen. So  einfach  kann  das  sein.  Das  Beispiel lehrt:  Wer  den  Dreh  raushat,  der  ist  ganz vorne  dabei. Der  Dreh  ist  ein  raffinierter  Geselle, auch  wenn  sein  Name  nicht  mehr  oft  genannt  wird.  Das  mag  an  seiner  leicht  anrüchigen Vorgeschichte  liegen, die  in unserer
Ära  unbedingter  sprachlicher Korrektheit nicht auf viel  Verständnis hoffen  darf. Man erinnert  sich  an die  Panzerknackerbande aus Entenhausen,  die immer  gern  ein Ding drehte.  Ihr  eher  tollpatschiges  Vorgehen führte  sie  leider immerfort  zurück  in  den Knast,  dessen  Gitter  seinerzeit  noch  als schwedische  Gardinen  bezeichnet  wurden. Auch das sagt man heute nur noch selten,  denn  der  Begriff  könnte  die  Gefühle schwedischer Mitbürger:innen verletzen  oder die  Gardinenhersteller diskriminieren.  Es  macht  den  Ruf  des Drehs  nicht  besser,  dass  ein  findiger  Verkäufer  den  Törichten  Dinge  andreht,  für die  sie  keinerlei  Verwendung haben. Das führt zu Julia Klöckner. Im Zuge der neuen Landlust,  welche die Bundesagrarministerin  zu  verbreiten  sucht,  sowie ihrer Bemühungen,  die  Bauern  vom  Niederbrennen  ihres Ministeriums  abzuhalten,  hat  sie  den  Hashtag  „#Dorfkinder  haben den  Dreh raus“,  versehen  mit  dem  Bild zweier  spielender  blonder  Kinder,  in  die Welt  gebracht.  Man  kann  Frau Klöckner mit  sehr gutem  Willen  ein  gewisses  Bemühen  um  die Belange  der  Landbevölkerung nicht  absprechen.  Man  kann  den  Hashtag aber  auch  ein  wenig peinlich  und  anbiedernd  finden,  oder  man  kann  denken:  Shithappens, doch es gibt schlimmere Fehlleistungen  in  der  Politik.  Das  Netz  aber  tobt. „Das  Netz“  sagen  die  digitalen Hausmeister und Feldwebel immer dann, wenn es ge-nug  ihresgleichen  gibt, die bereit  sind,  sich jederzeit  ganz  furchtbar  aufzuregen  und Andersdenkenden  aus  jedem  beliebigen Anlass einen Strick zu drehen. Kurz, Ministerin  Klöckner  wurde  zum  Ziel  eines  Shitstorms.  Die  Leute  schreiben: Ob  sie  nicht wisse,  dass  auf  dem  Land  lauter  Nazis wohnten,  dass  die Dorffeuerwehr  aus betrunkenen  Rassisten  bestehe,  dass  die beiden  Kinder  nicht  divers  seien. Welchen Dreh  die  Verfasser  der  Sache auch  geben: Ein  Shitstorm  tritt  immer  dann  ein,  wenn Leute, welche  die Welt  nur  noch  über ihren Bildschirm  wahrnehmen,  den Shit  posten, der  so  in  ihrem  Kopf  selbst entstanden  ist. (SZ)