News, Kunst und Unterhaltung

15. Juli 2019

Automatisiertes fahren

Home-Office für Fernfahrer

Seit Jahren schwärmt die Industrie vom Innovationspotential durch die neue Mobilfunkgeneration 5G. Erste Anwendungen sind bereits im Test-Betrieb zu sehen – sie reichen von ferngesteuerten Fahrzeugen bis zur Hilfe im OP-Saal. 

Seit dem 19. März (bis 12. Juni 2019) lief die Versteigerung der 5G-Frequenzen durch die Bundesnetzagentur am Technikstandort in Mainz. ((Die Auktion endetet nach 497 Runden bei 6.549.651.000 Euro)) Nun ist also entschieden, welcher Netzanbieter den Zuschlag für die nächste Generation des Mobilfunks erhält – von den Anwendungen für künftige 5G-Netze schwärmt die Industrie schon seit Jahren.

Fernfahrer im „Home Office“
Eine mögliche Innovation bietet sich in der Logistik an: Sind die Verkehrswege in Zukunft flächendeckend mit schnellem Mobilfunk versorgt, müssen Fernfahrer nicht zwingend in der Fahrerkabine ihres Lastwagens mit der Ware mitfahren. Stattdessen könnten sie mit Lenkrad und Pedalen vor dem heimischen Fernseher sitzen und das Fahrzeug in Echtzeit aus dem „Home Office“ steuern.

Beim diesjährigen Mobile World Congress in Barcelona Anfang des Jahres konnten Besucher dieses Zukunftsszenario bereits im Test-Betrieb sehen: Der Fahrer saß in Barcelona, das mit Kameras und Sensoren ausgestattete Fahrzeug war rund 2.000 Kilometer entfernt in der Nähe von Göteborg in Schweden unterwegs. Glauben Sie nicht?



Vorstufe des autonomen Lieferverkehrs
Der Lastwagen der Firma Einride, der dabei gelenkt wurde, ist eine Klasse für sich. In dem Fahrzeug ist gar kein Platz für einen Menschen vorgesehen. Seine bullige Front ist eine betongraue Fläche ohne Frontscheibe oder Kühlergrill. Ob man sich schnell an diesen Anblick im Rückspiegel gewöhnen kann? Die futuristischen T-Pod-Lastwagen sollen eigentlich autonom fahren. Aber in schwierigen Situationen – das könnte anfangs zum Beispiel ein Baustellen-Bereich sein – soll ein Mensch die Kontrolle per Fernsteuerung übernehmen können. Hier kommt 5G mit seinen extrem kurzen Datenlaufzeiten – der sogenannten Latenz – ins Spiel. Damit können Steuerbefehle praktisch ohne Verzögerung an das Fahrzeug übertragen werden.

Telechirurgie im Live-Stream
Auch zahlreiche andere 5G-Anwendungen ließen sich auf der Mobilfunkmesse in Spanien entdecken. Wenige Meter von der Lastwagen-Demo demonstrierte am Stand des Netzwerk-Ausrüsters Ericsson eine Band, dass auch Musiker in Zukunft nicht mehr zwingend in einem Raum zusammenkommen müssen, um gemeinsam zu musizieren: Obwohl der Gitarrist und der singende Keyboarder via 5G-Netz aus einer anderen Halle am Stand des Netzbetreibers Vodafone zugeschaltet wurden, konnten der Bassist und der Schlagzeuger vor Ort mühelos den Takt halten. Die geringe Latenz macht es möglich, dass in Zukunft so auch virtuelle Proberäume entstehen können.
Die Telechirurgie gilt ebenfalls als ein wichtiger 5G-Anwendungsfall für die Zukunft. In China soll bereits im Januar ein Chirurg mit Hilfe ferngesteuerter Roboterarme aus rund 50 Kilometern Entfernung die Leber bei einem Versuchstier entfernt haben.

Bis solche Operationen im Alltag angekommen, wird es noch dauern – eine in Barcelona gezeigte Lösung für Krankenwagen hingegen könnte früher eingesetzt werden. Die Idee ist, eine Ultraschall-Untersuchung bei Bedarf schon auf dem Weg ins Krankenhaus durchzuführen. Dabei werden die Bilder nicht nur in Echtzeit per 5G übertragen, sondern der Arzt kann auch mit Hilfe eines haptischen Handschuhs die Hand des Sanitäters, der das Ultraschall-Gerät hält, an bestimmte Stellen lenken.

5G für den privaten Gebrauch
„5G wurde ursprünglich für die Industrie konzipiert, deshalb waren geringe Latenzzeiten und die hohe Bandbreite die Grundvorgaben“, sagt Ericsson-Manager Fredrik Jejdling. Doch auch den Verbrauchern will die Industrie die Vorzüge der superschnellen Netze schmackhaft machen. So zeigt der Chipkonzern Qualcomm, wie man mit 5G auf einem Smartphone fernsehen kann. Neben der großen Anzeige eines Kanals laufen am unteren Bildschirmrand mehrere Sender weiter, zwischen denen gewechselt werden kann.

Selbst das Geschäft mit virtueller Realität soll 5G revolutionieren. Heute muss die intensive Rechenarbeit für das Eintauchen in digitale Welten lokal erledigt werden – entweder in der Brille selbst oder einem angeschlossenen Computer. Mit der stabilen schnellen Cloud-Verbindung könnten stattdessen aber Server im Netz dafür einspringen. Die Geräte auf dem Kopf würde man damit entsprechend leichter und tragbarer gestalten. In Barcelona demonstrierte unter anderem Qualcomm, dass diese Übertragung per Funk tatsächlich funktionieren kann.

Ein interessanter Nebenaspekt wäre, dass sich damit mehr Wertschöpfung von den VR-Spezialisten zu den Netzbetreibern verlagert. Das kann eine gute Nachricht für die Telekommunikations-Konzerne sein, die viele Milliarden in den 5G-Netzausbau stecken müssen. /Andrej Sokolow, dpa (Mit prd)

Keine Kommentare: