6. Januar 2020

Gutes Leben denkend

Ein gelingendes Neues Jahr wünscht Pfarrer Beck (Video)
vom Sars-Hip-Haus

Im Wortlaut: Ein neues Jahr. Gute Vorsätze gefasst, Projekte geplant, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer?
Was macht denn eigentlich für Sie das kommende Jahr zu einem guten Jahr? Wenn mir alles gelungen ist, was ich mir vorgenommen habe? Wenn meine Pläne aufgegangen sind?

Und was macht ein Leben eigentlich zu einem gelingenden Leben? Wenn in Familien, in Partnerschaft und Beruf alles gut gelaufen ist, nach Plan? Sicher kann das alles zu einem glücklichen Leben beitragen.
Mich selbst hat im letzten Jahr eine Frau beeindruckt, die als Deutsche in Peru arbeitet. Birgit Weiler ist Theologin und Ordensfrau und hat bei ihrer Arbeit in Lateinamerika mit indigenen, einheimischen Völkern zu tun. Dabei hat sie Menschen kennen gelernt, für diese gelingendes Leben auch wichtig ist. Das Faszinierende ist aber, dass diese Menschen die Frage nicht nur auf sich selbst beziehen. Gelingendes Leben kann es für die Menschen indigener Völker, so sagt Birgit Weiler, nur geben, wenn dabei die anderen mit im Blick bleiben. Sie haben klar: ich kann gar nicht glücklich sein, wenn das auf Kosten eines anderen Menschen geht. Ich kann gar nicht glücklich sein, wenn es auf Kosten der Umwelt und damit der nächsten Generationen geht. Hier gilt ein Leben als gelungen, wenn die Anderen auch mit im Blick sind. Das Glück der Einzelnen wäre Unsinn, gar Selbstbetrug.


Ich fand diese Einstellung faszinierend. Sie scheint uns völlig abhanden gekommen zu sein. Denn mit ihr sind wichtige Fragen an das in westlichen Gesellschaften und auch in Deutschland dominierende Verständnis von einem gelingenden Leben gestellt. Wenn ich glaube, dass mein Leben gelingt, wenn es mir oder auch nur der eigenen Familie gut geht, ist das ziemlich klein gedacht. Das funktioniert ja nur, wenn ich mit viel Kraftaufwand die Situation anderer Menschen und künftiger Generationen ausblende.

Diese Anderen immer wieder mit in den Blick zu nehmen, findet sich auch in der Art, wie Jesus Menschen begegnet. In biblischen Texten begegnet er Menschen, die krank sind oder als Sünder gelten. Aber in diesen Begegnungen beschreibt die Bibel nicht nur, dass Jesus diesen Menschen vergibt oder dass sie von einer Krankheit geheilt werden. Immer wieder kommt es dann auch zu dem Hinweis, dass mit der Begegnung die Ausgrenzung überwunden wird. Menschen werden davon geheilt, Grenzen zu ziehen. Das heißt auch, dass hier alle mit betroffen sind, alle werden geheilt. Sie werden geheilt davon, Grenzen zu ziehen. Sie werden davon geheilt, nur auf die eigenen Bedürfnisse zu schauen. Sie werden von einer zu kleinen Perspektive auf das eigene Glück befreit. Bei Jesus werden nicht nur die Kranken geheilt, sondern auch alle drumherum. Es wird eine Gesellschaft geheilt, die vor allem auf Ausgrenzungen aufbaut und in der Menschen nur das eigene Gelingen sehen können.

Diese Anderen auch zu sehen, kann schwer erträglich sein. Dann sehe ich nämlich Menschen, die für Hungerlohn mein T-Shirt nähen. Dann sehe ich Menschen, die als afrikanische Landarbeiter in Italien meine Orangen ernten. Dann sehe ich Menschen, die auf den Containerschiffen arbeiten oder mit dem LKW meine Waren anliefern.

Ein gelingendes Leben und ein gelingendes Jahr müsste damit anfangen, wenigstens ein paar dieser "Anderen" zu sehen.

So ein glückliches, gelingendes Jahr wünsche ich Ihnen.

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