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23. Januar 2020

Zeitenwende: Wenn im Büro der Pokertisch wartet

Das  Glücksspiel  in  Deutschland  steht  vor  einer  Zeitenwende.  Nach langen  Verhandlungen  haben  sich  die Bundesländer  auf  eine Gesetzesnovelle verständigt,  mit  der  Glücksspiele  im Internet  weitgehend  erlaubt  werden  sollen.  Online-Poker  und  digitale  Roulettespiele,  aber  auch  virtuelle  Spielautomaten wären  damit erstmals  bundesweit  legal. Für  Sportwetten,  die  bislang  in  einer rechtlichen  Grauzone  stattfinden,  soll  es den  Plänen  zufolge dauerhafte  Erlaubnisse  geben.  Das  staatliche  Lotteriemonopol  bleibt  bestehen. Die  Regierungschefs  der  Länder  sollen die  neue Glücksspielregulierung  bereits auf  ihrer  nächsten  Konferenz  am  5. März in  Berlin  beschließen.


Deutschland  ist  der  größte  Glücksspielmarkt  Europas. Lotterien,  Sportwetten- und  Casinoanbieter  setzen  hierzulande nach Daten der Bundesländer  13,9  Milliarden  Euro  um.  Ein  Fünftel dieser  Summe entfällt  auf  bislang  illegale  Angebote.  Allein  an  die  zwei  Milliarden  Euro  verdienen Anbieter verbotener Online-Casinosschätzungsweise im Jahr. Den größten Anteil haben  nach  wie  vor  Spielautomaten  in  Gaststätten  und  Spielhallen,  gefolgt  von  den 16 Lotteriegesellschaften.

Illegale Angebote  wachsen  mit  Abstand  am  schnellsten. Mit  den  Reformplänen  reagieren die  für das  Glücksspiel  weitgehend zuständigen Bundesländer  auf  den  Druck,  der  durch den  boomenden Schwarzmarkt  entstanden  ist:  Es  gelang  ihnen  nie  wirklich,  die bisher  geltenden  Verbote  durchzusetzen. 

Schwarzmarktanbieter  aus  dem  Ausland konnten  agieren,  ohne  Konsequenzen  zu befürchten. Befürworter  einer  Marktöffnung bemängeln, dem Staat entgingen seit Jahren Steuereinnahmen. Kritiker befürchten mit den nun angedachten Regelnhöhere  Suchtgefahren  vor  allem  für  Jüngere. Der neue Glücksspielstaatsvertrag sieht eine  bundesweit  zuständige  Behörde  zur Regulierung  des  Online-Angebots  vor. Spieler  dürften  dem  Entwurf  zufolge  über alle  Angebote  hinweg  nicht  mehr  als 1000  Euro  pro  Monat einzahlen.  

Die  Zahlungsströme sollen zentral überwacht werden.  Eine bundesweite  Sperrdatei  soll Spielsüchtige  schützen.  Anbieter  müssen zudem  ein  „automatisiertes  System“  zur
Früherkennung  von  Suchtgefahren  nachweisen.

Künftig  soll  es  erlaubt  sein,  Sportwetten  und  Automatenspiele  auf  derselben  Plattform  anzubieten  und  noch  dazu Lotterien  zu  vermitteln.  Davon  zu  unterscheiden  sind  Casinospiele  wie  Roulette und  Blackjack.  Für  diese  sollen  Unternehmen  gesondert  staatlich  konzessioniert werden, wobei die Länder weitgehend autonom  über  Details  entscheiden  können.

Bislang hatte Schleswig-Holstein als einziges  Bundesland vorübergehend  Erlaubnisse  für  private  Online-Anbieter  erteilt. Diese waren Anfang 2019 erloschen; die Regierung  in Kiel  hatte  sie  verlängert.  Die  in den  Verhandlungen  federführende  Staatskanzlei  in  Nordrhein-Westfalen  wollte  die geplante  Reform  nicht  kommentieren.

Für  den  19. Februar  sind  Interessenverbände  zur  Anhörung  nach  Düsseldorf geladen. In Branchenkreisen erwartet man keine  grundlegenden  Änderungen  mehr. Am  1.  Juli  2021  soll  das  Gesetz  in  Kraft treten. (SZ, Jan Willmroth)

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