vom Sars-Hip-Haus
Im Wortlaut: Ein neues Jahr. Gute Vorsätze gefasst, Projekte geplant, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer?
Was macht denn
eigentlich für Sie das kommende Jahr zu einem guten Jahr? Wenn mir
alles gelungen ist, was ich mir vorgenommen habe? Wenn meine Pläne
aufgegangen sind?
Und was macht ein
Leben eigentlich zu einem gelingenden Leben? Wenn in Familien, in
Partnerschaft und Beruf alles gut gelaufen ist, nach Plan? Sicher kann
das alles zu einem glücklichen Leben beitragen.
Mich selbst hat im
letzten Jahr eine Frau beeindruckt, die als Deutsche in Peru arbeitet.
Birgit Weiler ist Theologin und Ordensfrau und hat bei ihrer Arbeit in
Lateinamerika mit indigenen, einheimischen Völkern zu tun. Dabei hat
sie Menschen kennen gelernt, für diese gelingendes Leben auch wichtig
ist. Das Faszinierende ist aber, dass diese Menschen die Frage nicht
nur auf sich selbst beziehen. Gelingendes Leben kann es für die
Menschen indigener Völker, so sagt Birgit Weiler, nur geben, wenn dabei
die anderen mit im Blick bleiben. Sie haben klar: ich kann gar nicht
glücklich sein, wenn das auf Kosten eines anderen Menschen geht. Ich
kann gar nicht glücklich sein, wenn es auf Kosten der Umwelt und damit
der nächsten Generationen geht. Hier gilt ein Leben als gelungen, wenn
die Anderen auch mit im Blick sind. Das Glück der Einzelnen wäre
Unsinn, gar Selbstbetrug.
Ich fand diese
Einstellung faszinierend. Sie scheint uns völlig abhanden gekommen zu
sein. Denn mit ihr sind wichtige Fragen an das in westlichen
Gesellschaften und auch in Deutschland dominierende Verständnis von
einem gelingenden Leben gestellt. Wenn ich glaube, dass mein Leben
gelingt, wenn es mir oder auch nur der eigenen Familie gut geht, ist
das ziemlich klein gedacht. Das funktioniert ja nur, wenn ich mit viel
Kraftaufwand die Situation anderer Menschen und künftiger Generationen
ausblende.
Diese Anderen immer
wieder mit in den Blick zu nehmen, findet sich auch in der Art, wie
Jesus Menschen begegnet. In biblischen Texten begegnet er Menschen, die
krank sind oder als Sünder gelten. Aber in diesen Begegnungen
beschreibt die Bibel nicht nur, dass Jesus diesen Menschen vergibt oder
dass sie von einer Krankheit geheilt werden. Immer wieder kommt es dann
auch zu dem Hinweis, dass mit der Begegnung die Ausgrenzung überwunden
wird. Menschen werden davon geheilt, Grenzen zu ziehen. Das heißt auch,
dass hier alle mit betroffen sind, alle werden geheilt. Sie werden
geheilt davon, Grenzen zu ziehen. Sie werden davon geheilt, nur auf die
eigenen Bedürfnisse zu schauen. Sie werden von einer zu kleinen
Perspektive auf das eigene Glück befreit. Bei Jesus werden nicht nur
die Kranken geheilt, sondern auch alle drumherum. Es wird eine
Gesellschaft geheilt, die vor allem auf Ausgrenzungen aufbaut und in
der Menschen nur das eigene Gelingen sehen können.
Diese Anderen auch zu
sehen, kann schwer erträglich sein. Dann sehe ich nämlich Menschen, die
für Hungerlohn mein T-Shirt nähen. Dann sehe ich Menschen, die als
afrikanische Landarbeiter in Italien meine Orangen ernten. Dann sehe
ich Menschen, die auf den Containerschiffen arbeiten oder mit dem LKW
meine Waren anliefern.
Ein gelingendes Leben und ein gelingendes Jahr müsste damit anfangen, wenigstens ein paar dieser "Anderen" zu sehen.
So ein glückliches, gelingendes Jahr wünsche ich Ihnen.
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