Die Sache mit der Strahlung und dem Mars
Die
Strahlung im Weltraum ist extrem gesundheitsschädlich. Bei den
Mondmissionen war das Risiko noch vertretbar. Bei zukünftigen
interplanetaren Raumflügen könnte die Strahlenbelastung allerdings zum
Show-Stopper werden
Die Strahlung im Weltraum ist extrem gesundheitsschädlich. Bei den Mondmissionen war das Risiko noch vertretbar. Bei zukünftigen interplanetaren Raumflügen könnte die Strahlenbelastung allerdings zum Show-Stopper werden
Nach wenigen Tagen ist
die Erde nur noch ein winziger blauer Punkt, dann verschwindet sie ganz.
Etliche Monate später: ein roter Punkt, der immer grösser wird.
Landung. Die ersten Menschen betreten den Mars. Geht es nach dem
Unternehmer Elon Musk, wird diese Vision bereits im Jahr 2024
Wirklichkeit werden. Mit seinem privaten Raumfahrtunternehmen SpaceX
entwickelt der umtriebige Multimilliardär die dazu notwendige Technik:
den stärksten Antrieb, die grösste Rakete und das gewaltigste Raumschiff
aller Zeiten.
Sollte
das ambitionierte Vorhaben gelingen, fehlt Musk nur noch ein
ausgereiftes Strahlenschutzkonzept: «Das grösste, ungelöste Problem der
bemannten Raumfahrt ist die kosmische Strahlung», meint Stefan
Schlechtriem, Direktor des Instituts für Raumfahrtantriebe des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen. Er bewundere
Elon Musk, doch diese Herausforderung sei SpaceX noch nicht angegangen.
Auch Christine Hellweg, Leiterin der Abteilung Strahlenbiologie am
Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin des DLR in Köln, glaubt, dass
Menschen derzeit aufgrund der Strahlenbelastung noch nicht bedenkenlos
zum Mars fliegen könnten. Wird die Reise zu unserem Nachbarplaneten also
ausgerechnet an der Weltraumstrahlung scheitern?
Knapp am Desaster vorbei
Bei
der kosmischen Strahlung handelt es sich um winzige, geladene Teilchen,
die durchs Weltall rauschen. Astrophysiker ordnen sie im Wesentlichen
einer der beiden folgenden Kategorien zu: der galaktischen oder der
solaren kosmischen Strahlung. Der galaktische Anteil stammt irgendwo aus
den Tiefen des Universums, wahrscheinlich von explodierenden Sternen.
Die solare Komponente kommt hingegen von der Sonne. Sie besteht zum
einen aus einem permanenten Teilchenstrom, dem Sonnenwind, und zum
anderen aus Teilchen mit deutlich höherer Energie, die bei sporadisch
auftretenden Sonneneruptionen ins All geschleudert werden. Ein solches
Ereignis kann einem ungeschützten Astronauten – etwa bei einem
Mondspaziergang – schnell eine tödliche Strahlendosis verpassen. Im
August 1972 ereignete sich zum Beispiel eine äusserst heftige Eruption;
glücklicherweise genau zwischen den beiden bis jetzt letzten bemannten
Mondlandungen und nicht währenddessen. Vorhersagen lassen sich solche
Ausbrüche kaum. Raumfahrtexperten arbeiten daher an Schnellwarnsystemen
und geeigneten Schutzräumen innerhalb der Raumschiffe.
Die Teilchen des
Sonnenwinds sind indessen energieärmer und überwinden die bei
Raumschiffen gebräuchlichen, dicken Aluminiumwände kaum. Am meisten
Sorgen bereitet den Weltraummedizinern die hochenergetische Komponente
der galaktischen kosmischen Strahlung: Mindestens 70 Prozent davon
dringen durch die üblichen Aussenwände eines Raumschiffs. Es gäbe zwar
effizientere Materialien, aber selbst mit ihnen lässt sich die
ursprüngliche Dosis wohl nur um die Hälfte reduzieren. Dies liegt vor
allem daran, dass Raumfahrtingenieure die Wände wegen des Gewichts nicht
beliebig dick gestalten können.
Auf
der Erdoberfläche hingegen kommt nur ein Bruchteil der kosmischen
Strahlung an; der grosse Rest bleibt in der Atmosphäre und dem
Magnetfeld der Erde hängen. Anders sieht es auf der Marsoberfläche aus:
Da der Planet kein Magnetfeld und auch nur eine sehr dünne Atmosphäre
aufweist, herrscht hier eine deutlich stärkere Strahlungsbelastung.
Diesbezügliche Daten stammen etwa von der unbemannten Weltraummission
«Mars Science Laboratory», bei der der Erkundungsrover «Curiosity» auf
dem roten Planeten abgesetzt wurde: Die Messungen ergaben eine
durchschnittliche Strahlendosis von 77 Mikrosievert pro Stunde während
des Flugs und 26 Mikrosievert pro Stunde auf der Marsoberfläche. Zum
Vergleich: Auf der Erdoberfläche liegen die Werte üblicherweise zwischen
0,05 und 0,2 Mikrosievert pro Stunde. Die Strahlenbelastung auf dem
Mars ist also ungefähr 100-mal und im Weltall rund 300-mal höher als auf
unserem Heimatplaneten.
Mediziner
stufen dauerhafte Strahlendosisraten von mehr als zehn Mikrosievert pro
Stunde bereits als bedenklich für die Gesundheit ein. Die winzigen
Teilchen dringen in den Körper ein und beschädigen dort etwa die Zellen
und deren Erbgut. Jahre oder Jahrzehnte später kann das zu Tumoren,
Erkrankungen des Nervensystems oder einer Trübung der Augenlinse führen,
um nur ein paar Folgeschäden zu nennen. Bei hohen Mengen an Strahlung
über einen kurzen Zeitraum tritt die akute Strahlenkrankheit auf. Deren
Symptome sind vielfältig und reichen von Kopfschmerzen über Übelkeit bis
zu Erbrechen, und sie kann auch tödlich enden. /NZZ
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