28. Juli 2019

Raumforschung: Was Alexander Gerst auch noch wissen wollen könnte

... und in der Sendung mit der Maus nicht erzählt


Die Sache mit der Strahlung und dem Mars
Die Strahlung im Weltraum ist extrem gesundheitsschädlich. Bei den Mondmissionen war das Risiko noch vertretbar. Bei zukünftigen interplanetaren Raumflügen könnte die Strahlenbelastung allerdings zum Show-Stopper werden

Nach wenigen Tagen ist die Erde nur noch ein winziger blauer Punkt, dann verschwindet sie ganz. Etliche Monate später: ein roter Punkt, der immer grösser wird. Landung. Die ersten Menschen betreten den Mars. Geht es nach dem Unternehmer Elon Musk, wird diese Vision bereits im Jahr 2024 Wirklichkeit werden. Mit seinem privaten Raumfahrtunternehmen SpaceX entwickelt der umtriebige Multimilliardär die dazu notwendige Technik: den stärksten Antrieb, die grösste Rakete und das gewaltigste Raumschiff aller Zeiten.

Sollte das ambitionierte Vorhaben gelingen, fehlt Musk nur noch ein ausgereiftes Strahlenschutzkonzept: «Das grösste, ungelöste Problem der bemannten Raumfahrt ist die kosmische Strahlung», meint Stefan Schlechtriem, Direktor des Instituts für Raumfahrtantriebe des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen. Er bewundere Elon Musk, doch diese Herausforderung sei SpaceX noch nicht angegangen. Auch Christine Hellweg, Leiterin der Abteilung Strahlenbiologie am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin des DLR in Köln, glaubt, dass Menschen derzeit aufgrund der Strahlenbelastung noch nicht bedenkenlos zum Mars fliegen könnten. Wird die Reise zu unserem Nachbarplaneten also ausgerechnet an der Weltraumstrahlung scheitern?

Knapp am Desaster vorbei

Bei der kosmischen Strahlung handelt es sich um winzige, geladene Teilchen, die durchs Weltall rauschen. Astrophysiker ordnen sie im Wesentlichen einer der beiden folgenden Kategorien zu: der galaktischen oder der solaren kosmischen Strahlung. Der galaktische Anteil stammt irgendwo aus den Tiefen des Universums, wahrscheinlich von explodierenden Sternen. Die solare Komponente kommt hingegen von der Sonne. Sie besteht zum einen aus einem permanenten Teilchenstrom, dem Sonnenwind, und zum anderen aus Teilchen mit deutlich höherer Energie, die bei sporadisch auftretenden Sonneneruptionen ins All geschleudert werden. Ein solches Ereignis kann einem ungeschützten Astronauten – etwa bei einem Mondspaziergang – schnell eine tödliche Strahlendosis verpassen. Im August 1972 ereignete sich zum Beispiel eine äusserst heftige Eruption; glücklicherweise genau zwischen den beiden bis jetzt letzten bemannten Mondlandungen und nicht währenddessen. Vorhersagen lassen sich solche Ausbrüche kaum. Raumfahrtexperten arbeiten daher an Schnellwarnsystemen und geeigneten Schutzräumen innerhalb der Raumschiffe.


Die Teilchen des Sonnenwinds sind indessen energieärmer und überwinden die bei Raumschiffen gebräuchlichen, dicken Aluminiumwände kaum. Am meisten Sorgen bereitet den Weltraummedizinern die hochenergetische Komponente der galaktischen kosmischen Strahlung: Mindestens 70 Prozent davon dringen durch die üblichen Aussenwände eines Raumschiffs. Es gäbe zwar effizientere Materialien, aber selbst mit ihnen lässt sich die ursprüngliche Dosis wohl nur um die Hälfte reduzieren. Dies liegt vor allem daran, dass Raumfahrtingenieure die Wände wegen des Gewichts nicht beliebig dick gestalten können.

Auf der Erdoberfläche hingegen kommt nur ein Bruchteil der kosmischen Strahlung an; der grosse Rest bleibt in der Atmosphäre und dem Magnetfeld der Erde hängen. Anders sieht es auf der Marsoberfläche aus: Da der Planet kein Magnetfeld und auch nur eine sehr dünne Atmosphäre aufweist, herrscht hier eine deutlich stärkere Strahlungsbelastung. Diesbezügliche Daten stammen etwa von der unbemannten Weltraummission «Mars Science Laboratory», bei der der Erkundungsrover «Curiosity» auf dem roten Planeten abgesetzt wurde: Die Messungen ergaben eine durchschnittliche Strahlendosis von 77 Mikrosievert pro Stunde während des Flugs und 26 Mikrosievert pro Stunde auf der Marsoberfläche. Zum Vergleich: Auf der Erdoberfläche liegen die Werte üblicherweise zwischen 0,05 und 0,2 Mikrosievert pro Stunde. Die Strahlenbelastung auf dem Mars ist also ungefähr 100-mal und im Weltall rund 300-mal höher als auf unserem Heimatplaneten.

Mediziner stufen dauerhafte Strahlendosisraten von mehr als zehn Mikrosievert pro Stunde bereits als bedenklich für die Gesundheit ein. Die winzigen Teilchen dringen in den Körper ein und beschädigen dort etwa die Zellen und deren Erbgut. Jahre oder Jahrzehnte später kann das zu Tumoren, Erkrankungen des Nervensystems oder einer Trübung der Augenlinse führen, um nur ein paar Folgeschäden zu nennen. Bei hohen Mengen an Strahlung über einen kurzen Zeitraum tritt die akute Strahlenkrankheit auf. Deren Symptome sind vielfältig und reichen von Kopfschmerzen über Übelkeit bis zu Erbrechen, und sie kann auch tödlich enden. /NZZ

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